Tagesablauf

Was macht ein Abgeordneter eigentlich?
Erfahrungsbericht über ein dreiwöchiges Praktikum bei Christoph Degen, MdL

Im Frühjahr 2014 hatte ich Gelegenheit, Christoph Degen für drei Wochen bei seiner Arbeit als Abgeordneter des Hessischen Landtages zu begleiten. Im Rahmen meines Studiums an der Uni Gießen hatte ich zwar schon einmal ein längeres Praktikum in der Landesgeschäftsstelle der hessischen SPD gemacht, aber von der täglichen Arbeit der Abgeordneten im Landtag verhältnismäßig wenig mitbekommen. Auf meine Anfrage hin sagte mir Christoph sofort zu, dass ich ihm in den Semesterferien gerne für ein paar Wochen über die Schulter schauen dürfe. So trafen wir uns Mitte März im Wahlkreisbüro am Hanauer Freiheitsplatz und besprachen Christophs Termine für die kommenden drei Wochen. Schnell wurde klar, dass die „Pflichttermine“ im Landtag relativ überschaubar sind. Der Terminkalender offenbarte aber auch, dass ein/e Abgeordnete/r trotzdem an sieben Tagen der Woche arbeitet.

Parlament
Die Plenarsitzungen des Landtags finden in der Regel nur einmal im Monat für drei Tage – Dienstag, Mittwoch und Donnerstag – statt. Die Abgeordneten müssen die Plenarwoche aber ausgiebig vorbereiten: Sich in die Thematiken und Gesetzesvorschläge etc. einlesen, die Standpunkte und das taktische Verhalten ihrer Partei absprechen und gegebenenfalls ihre Reden schreiben. Die SPD-Fraktion, also alle Abgeordneten der SPD im Hessischen Landtag, trifft sich immer dienstags für eine mehrstündige Sitzung und bespricht aktuelle politische Themen. Natürlich können nicht alle Abgeordneten in allen Themengebieten gleichermaßen kompetent sein. Daher vertrauen sie den Experten ihrer Fraktion zum jeweiligen Thema. Christoph Degen ist beispielsweise der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Sobald also ein bildungspolitisches Thema auf die Agenda im Parlament kommt, ist Christoph derjenige, der für die SPD im Parlament dazu redet.

Medien
Auch für die Medien ist er dann der erste Ansprechpartner. Während meines Praktikums debattierte der Landtag einmal mehr die G8-Schulzeitverkürzung und wie sie wieder abgeschafft werden soll. Hierzu durfte Christoph gleich als erster zu einer „aktuellen Stunde“ im Plenum des Landtags reden – Seine Rede hat er am Abend vorher geschrieben. Als der hessische Rundfunk und die Technische Uni Darmstadt eine Woche später eine neue Studie zur Nutzung von Facebook im Schulunterricht veröffentlicht hatte, durfte Chris die Ergebnisse aus Sicht der SPD kommentieren. Dafür sind wir ins Studio des hessischen Rundfunks im Wiesbadener Landtag eingeladen worden, wo Christoph für den Radiosender hr-iNFO interviewt wurde. Ein paar Tage später sind wir nach Frankfurt in die Zentrale des hr gefahren, weil nun auch die hessenschau ein Interview mit Chris filmen wollte.

Informationen sammeln
Die anderen Abgeordneten der Fraktion(en) vertrauen ihren Sprechern. Deshalb sind auch fast nie alle Abgeordneten im Plenarsaal anwesend, während dort debattiert wird. Im Fernsehen wirkt es oft so, als würde Teil der Parlamentarier die Sitzungen schwänzen. In Wirklichkeit sind sie aber fast alle im Landtagsgebäude anwesend und arbeiten entweder in ihren Büros an ihren Reden bzw. parlamentarischen Initiativen oder führen Gespräche. Deshalb werden die Debatten aus dem Plenarsaal auch überall im Gebäude (selbst auf den Toiletten!) übertragen. Als bildungspolitischer Sprecher tauscht sich Christoph regelmäßig mit verschiedenen Interessengruppen zum Thema Bildung aus. So führte er in der kurzen Zeit, in der ich ihn begleitete, Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern aus Elternverbänden und der Landesschülervertretung. Auch sammelte er Hintergrundinformationen von Menschen, die an Schulen und Hochschulen tätig sind. Diese Gespräche sind für Politiker sehr wichtig, weil sie somit Informationen aus erster Hand bekommen, insbesondere über die Konsequenzen politischer Entscheidungen auf die schulische und außerschulische Praxis.

Arbeitskreise und Ausschüsse
Wie für andere Themen gibt es in der SPD-Fraktion auch einen Arbeitskreis Bildungspolitik, indem Christoph und sechs anderer SPD-Abgeordnete/r an Konzepten arbeiten, um die parlamentarische Oppositionsarbeit zur Bildungspolitik koordinieren. Beispielsweise schreibt Christoph Anfragen an den Kultusminister von der CDU, wenn die SPD wichtige Daten oder Statistiken aus dem Ministerium bekommen möchte. Außerdem sitzt er in den Ausschüssen des Landtags für Bildungspolitik (Kulturpolitischer Ausschuss genannt) und für Wissenschaft/Kunst. Dort sind gemäß dem Kräfteverhältnis des Parlaments alle Fraktionen vertreten und entsenden ihre jeweiligen Experten. Hier werden also die Details der jeweiligen Gesetzesentwürfe debattiert, um das Parlament von manchen Details zu entlasten.

Öffentlichkeitsarbeit
Auch auf diese Sitzungen müssen sich die zuständigen Abgeordneten vorbereiten. Ein jeder Morgen beginnt damit, dass die Abgeordneten den Pressespiegel durcharbeiten. Das ist eine Mappe mit aktuellen Zeitungsartikeln, die die Abgeordneten tagtäglich vom Landtag zusammengestellt bekommen. Die Abgeordneten betreiben aber auch selbst Öffentlichkeitsarbeit, um die Politik für ihre Wählerinnen und Wähler verständlich(er) zu machen. Christoph twittert, ist auf Facebook aktiv, pflegt seine Homepage täglich und veröffentlicht Pressemitteilungen, die dann von Zeitungen gedruckt werden.

Zwischen Wiesbaden und dem Wahlkreis unterwegs
Um den Kontakt zu seinem Wahlkreis und den Menschen dort nicht zu verlieren, besucht er so viele Veranstaltungen im Main-Kinzig-Kreis wie möglich. Er bekommt jeden Tag Einladungen von Vereinen, Verbänden und anderen Institutionen, die ihrerseits den Kontakt zur Politik nicht verlieren möchten. Natürlich kann er nicht alle Termine wahrnehmen, denn dafür reicht die Zeit einfach nicht. Die Auswahl beeinflussen verschiedene Kriterien. Jetzt vor der Europawahl im Mai war Christoph beispielsweise am Lichtenberg Oberstufen Gymnasium (LOG) in Bruchköbel, um im Rahmen des Europaaktionstages mit einigen PoWi-Leistungs- und Grundkursen über Europa zu diskutieren. Chris hat aber auch andere Schulen in seinem Wahlkreis besucht und mit den Verantwortlichen vor Ort über die Entwicklung der Schulen gesprochen. Sei es G8/G9, Internationalisierung oder Inklusion – Der Austausch zwischen Politik und den direkt Betroffenen der Entscheidungen in Wiesbaden steht für die meisten Abgeordneten im Vordergrund. Manche Veranstaltungen sind im auch einfach eine Herzensangelegenheit. So konnte ich ihn bei der Teilnahme am 3. Inklusionslauf der Lebenshilfe Gelnhausen begleiten, woran wir als Läufer teilnahmen – eine interessante Abwechslung zu erleben, dass auch der Trainingsanzug zum „dienstlichen“ Outfit eines Abgeordneten zählen kann. Darüber hinaus stehen im Wahlkreis aber auch Veranstaltungen an, zu denen die Abgeordneten „nur“ als Ehrengäste eingeladen werden und meist Anzug tragen: Konzerte, Frühlingsempfänge, Einweihungen oder andere öffentlichkeitswirksame Feierlichkeiten. Weil Vereinsfeiern und Ähnliches meist abends stattfinden, haben Abgeordnete oft auch erst sehr spät Feierabend. Während der Plenartage finden außerdem parlamentarische Abende im Landtag statt, weshalb viele Abgeordnete die Plenarwoche über in Wiesbaden im Hotel schlafen. Außerdem haben sie ein Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel.

Parteiarbeit
Abgesehen von der parlamentarischen Arbeit füllen sich die Kalender der Abgeordneten auch mit einer Vielzahl von Parteiveranstaltungen. Christoph ist als Kandidat für den Vorsitz der SPD Main-Kinzig, ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter im Kreisausschuss des MKK und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Bildung der SPD im Kreis viel mit Parteiarbeit vor Ort beschäftigt, um einen Austausch zwischen Kommunalpolitik und Landespolitik sicherzustellen. Gerade jetzt im Vorfeld der Europawahl beginnen auch die Ortsvereine der SPD mit ihrem Europawahlkampf. Um die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die eigenen Parteimitglieder zum Wählen und Wahlkämpfen zu animieren, ist die Präsenz der Abgeordneten bei solchen Veranstaltungen unentbehrlich.

Fazit
Nach drei Wochen Einblick in den Berufsalltag eines Landtagsabgeordneten sind zwei Eindrücke die erkenntnisreichsten: Erstens ist dieser Beruf wahnsinnig spannend, weil er extrem abwechslungsreich ist und man mit den verschiedensten Menschen in Kontakt kommt, zweitens resultiert daraus aber auch ein immenser Arbeitsaufwand, der keine Wochenenden oder Feierabende kennt. Letzten Endes ist es sicherlich eine Art moralischer Ermessenssache eines/ einer jeden Abgeordneten, wie sehr er oder sie sich ins Zeug legt und welche weltanschaulichen Überzeugungen die politische Arbeit motivieren. Im Falle von Christoph Degen scheint es so, als habe er noch einiges vor.

Niklas Ferch, Praktikant bei Christoph Degen vom 24.02.2014 bis 11.04.2014