Vorsicht vor vergifteten Bonbons

Kolumne

Unseren Kindern bringen wir alle bei nicht mit Fremden mitzugehen, wenn sie einem ein Bonbon anbieten. Denn wie so oft sonst im Leben stecken meist andere Interessen hinter dem Angebot. Allen, die montags „spazieren“ gehen, rate ich dringend nicht bei jedem Bonbon zuzugreifen, nur weil „freie Meinungsäußerung“ auf der Verpackung steht. Den Teilnehmenden will ich nicht grundsätzlich rechtes Gedankengut unterstellen, doch wer sich dieser bundesweit agierenden Bewegung anschließt, solidarisiert sich mit einer Szene, die Hass und Hetze verbreitet. Spätestens, wenn man sieht, dass verfassungsfeindliche Organisationen zur Teilnahme aufrufen, sollte jedem ein Licht aufgehen, dass es schon lange nicht mehr nur um das Pro oder Contra von Corona-Maßnahmen geht.

 

Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist unantastbar, kein Demokrat und keine Demokratin wird es jemals in Frage stellen. Zur Demokratie gehört auch, zu ertragen, dass auf Demonstrationen Meinungen kundgetan werden, die man selber nicht teilt. Dass dies gewährleistet wird, dafür werde ich mich mein Leben lang einsetzen. Zu den demokratischen Spielregeln gehört aber auch, dass eine politische Demonstration zuvor angemeldet werden muss. Und ich erwarte von allen, die ihre Meinung kundtun wollen, dass sie ihren Kopf einschalten und nachdenken in wessen Fahrwasser sie sich da begeben. Wer seine Kritik an der aktuellen Politik äußern möchte, hat heutzutage mehr Möglichkeiten dazu als je zuvor. Vom Leserbrief über Flugblätter und soziale Medien bis hin zu einer ordentlich angemeldeten Demonstration hält die Demokratie ein umfangreiches Portfolio dafür bereit. Insbesondere politische Mandatsträger demokratischer Parteien sollten sich damit auskennen und das Fingerspitzengefühl besitzen, gerade nicht montags das vergiftete Bonbon zu wählen.

 

Kolumne vom 05.02.2022 erschienen im Hanauer Anzeiger