Flexibilität ermöglichen statt Normalbetrieb verordnen

Das zwanghafte Bestreben des Kultusministers, dass alle Schulen nach den Sommerferien wieder im „Normalbetrieb“ öffnen mussten, ist falsch. Mindestens die zwei Wochen nach den Sommerferien sollte besondere Vorsicht im Umgang miteinander angesagt sein. Viele Betroffene an Schulen, Lehrkräfte wie Schüler, fühlen sich unwohl angesichts oft viel zu enger Räume für bis zu 30 Personen. Einige haben schlicht Angst. Immerhin wurde auf den letzten Drücker eine landesweite Maskenpflicht für die Gänge und den Pausenhof ausgerufen. Da offensichtlich aber das Ansteckungsrisiko vielmehr im Klassenraum besteht als auf dem Schulhof, ist das ganze mehr als Placebo zu interpretieren, um Handlungsfähigkeit vorzutäuschen. Also was machen? Einige Schulen haben in ihrer Not mit dem Schuljahresbeginn eine Maskenplicht im Unterricht verordnet, obwohl der Kultusminister selbst sagt, das könne höchstens eine Empfehlung sein und sei nicht rechtsverbindlich. Sinnvoller wäre aus meiner Sicht Schulen zu ermöglichen flexiblere Unterrichtskonzepte umzusetzen. Bereits vor den Ferien wurden gute Erfahrungen zum Beispiel mit A- und B-Wochen gemacht. Das heißt, dass immer nur die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in der Schule anwesend ist. Die andere Hälfte wird digital zugeschaltet oder arbeitet z.B. in Form eines Wochenplans.  So würde vielleicht nicht immer 1,5 m Abstand eingehalten, aber dies wäre eine wichtige Präventionsmaßnahme, um Ansteckungen zu vermeiden und auch allen ein besseres Gefühl zu geben. Aber diese Flexibilität lässt der CDU-Kultusminister nicht zu. Mehrere Schulen im Kreis hatten sich dafür eingesetzt. Gerade an weiterführenden Schulen, wo die Schülerinnen und Schüler alt genug sind, selbstständiger lernen und – sofern sie entsprechend ausgestattet sind – mit digitalen Endgeräten umgehen können, hätte ich das befürwortet. Sonst scheut man sich so oft im Kultusministerium Entscheidungen zu treffen und schiebt gerne Verantwortung nach unten ab. Diesmal aber wäre es ausdrücklich sinnvoll gewesen den Schulen, die gute Konzepte für einen strukturierten Wechsel aus Distanz- und Fernunterricht vorgelegt haben, diesen Handlungsspielraum zu geben.

 

Kommentar im Hanauer Anzeiger