Christoph Degen: Bildungsgerechtigkeit durch mehr Ganztagschulen schaffen

Anfang Dezember wurden die Ergebnisse der aktuellen Internationalen Grundschul-Leseuntersuchung (IGLU) veröffentlicht. Danach haben sich die Leseleistungen der Viertklässler in Deutschland seit 2001 kaum verändert und liegen erneut nur im internationalen Mittelfeld. Darüber hinaus haben die sozial bedingten Leistungsunterschiede zugenommen.

„Es ist eine besorgniserregende Entwicklung, dass es den Grundschulen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht gelingt, für mehr Bildungsgerechtigkeit und ein besseres Leistungsniveau zu sorgen“, stellt der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Christoph Degen fest. Jedes fünfte Kind verlasse die Grundschule, ohne richtig lesen zu können. Das spreche nicht dafür, dass die Sprachförder- und Lernkonzepte greifen. Vielmehr gehe die Schere zwischen den Kindern und Jugendlichen, deren Eltern helfen oder sich Nachhilfe und Nachmittagsbetreuung leisten können, und denen, die auf schulische Förderung angewiesen seien, immer weiter auseinander. Der Leistungsvorsprung betrage laut Studie schon mehr als ein Lernjahr. „Was nicht hilft, ist ein Schulsystem, in dem jede hundertste Stelle an Grundschulen nicht und zehn Prozent der Stellen mit pädagogischen Laien besetzt ist“, kritisiert Degen mit Blick auf den hessischen Lehrermangel. Auch nicht hilfreich sei es, aus Schulen Betreuungs- statt Lerneinrichtungen zu machen.

Die zentrale Forderung der Studie laute: Gebt den Kindern ausreichend Zeit zum Lesen. Denn während Schülerinnen und Schüler in Deutschland 87 Stunden pro Jahr speziell mit Leseunterricht und Leseaktivitäten verbringen, liege der internationale Mittelwert bei 156 Stunden. Ein wesentlicher Grund dafür: In anderen Ländern endet die Grundschule nicht um 12 oder 13 Uhr, sondern es bestehen Ganztagsschulsysteme. Zwar gebe es auch in Deutschland immer mehr Ganztagsschulen, aber diese seien oft reine Betreuungseinrichtungen. „Mit reinen Betreuungsangeboten vergeben wir Chancen auf individuelle Förderung und bessere Leistungen. Ein wesentlicher Baustein zum Abbau von Chancenungleichheit ist deshalb der flächendeckende Ausbau der kostenfreien und bedarfsorientierten Ganztagsbeschulung.“ Die Landesregierung setze mit ihrem Betreuungspakt für den Nachmittag die falschen Akzente.

Erforderlich sei, so Degen, die Arbeit der Grundschulen aufzuwerten, mehr echte Ganztagsbeschulung zu schaffen, Gebühren für Eltern für Nachmittagsunterricht abzuschaffen und Lehrkräfte unterstützen sowie aus- und fortzubilden. „In den letzten vier Jahren sind nur fünf neue Ganztagsgrundschulen geschaffen worden. Im dem Tempo dauert es weitere 1000 Jahre bis alle hessischen Grundschulen echte Ganztagsschulen sind. Angesichts dieses Ausbautempos braucht Hessen einen Masterplan mit konkreten Zielvorgaben und vor allem endlich bessere Rahmenbedingungen für den Ausbau.“