Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Christoph Degen, hat die Schulpolitik von Minister Lorz (CDU) kritisiert. Zum Beginn des Schuljahres 2016/2017 sagte Degen am Donnerstag in Wiesbaden: Statt Perspektiven für die Schulentwicklung aufzuzeigen, vermarktet der Kultusminister zum Schuljahresbeginn lediglich seine Ideenlosigkeit. Dass mehr Schüler auch mehr Lehrerstellen brauchen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Von Gestaltungswillen fehlt bei Minister Lorz jede Spur. Doch seine ausgeprägten Selbstdarstellungskünste können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er die zentralen Herausforderungen des hessischen Schulwesens nicht anpackt: Die Integration – und damit die Verbesserung der Chancengleichheit wird vernachlässigt, die Inklusion wird verschleppt und der Ausbau der Ganztagsschulen lahmt. Der Aufbruch, den Hessen dringend bräuchte, um die Schulen für die Zukunft fit zu machen, fällt schon wieder aus.
Die schwarz-grüne Landesregierung feiere sich dafür, zusätzliche Lehrerstellen geschaffen zu haben, um den Unterricht für Flüchtlinge zu gewährleisten. Dies sei jedoch keine besondere Leistung, stellte der SPD-Schulexperte fest, vielmehr erfülle die Landesregierung lediglich eine unabweisbare Pflichtaufgabe. Degen sagte: Hessen tut kein bisschen mehr als das, wozu das Land ohnehin verpflichtet ist. Während die SPD-geführte Regierung in Nordrhein-Westfalen bis zum Schuljahresbeginn bereits 6.000 zusätzliche Stellen für den Flüchtlingsunterricht geschaffen hat, bleibt Schwarz-Grün in Hessen hinter den Standards anderer Bundesländer weit zurück. Übervolle Intensivklassen und reduzierte Wochenstunden für die Flüchtlingsbeschulung gehen einher mit fehlender Unterstützung für diese Schüler und deren Lehrkräfte. Für die Integration der zugewanderten Kinder fehlt es an multiprofessionellen Teams und ausreichend Lehrkräften, um auf dem Stundenniveau der Regelklassen zu unterrichten. Die ungleiche Verteilung der Flüchtlinge auf die verschiedenen Schulformen ist nicht hinnehmbar. Kinder mit Migrationshintergrund lernen zu häufig in nachteiligen Lernumwelten. Es fehlt nicht nur an Lehrkräften für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, auch in anderen Bereichen herrscht in Hessen Lehrermangel.
Beim Thema Inklusion warf Degen dem Kultusminister Versagen vor: Wir kommen da nicht weiter, solange überall Förderpädagogen fehlen und der Minister sich auf wolkige Absichtserklärungen und kleinteilige Modellregionen beschränkt, während bestehende Standards weiter abgebaut werden. Das blamable Ergebnis von Herrn Lorz Politik ist, dass in Hessen nur rund 20 Prozent aller Schüler mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung eine Regelschule besuchen. Unser Land ist damit bundesweit Schlusslicht bei der Inklusion, sagte der SPD-Abgeordnete.
Solange es an qualifiziertem Lehrpersonal, an geeigneten Fortbildungsangeboten, an Klassenzimmern und Sachmitteln fehle, bleibe die schulische Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen ein unerreichbares Ziel, so Christoph Degen.
Auch beim Ausbau der Ganztagsschulen sieht der SPD-Schulexperte dringenden Nachholbedarf: Mit einer Teilnahmequote von 3,8 Prozent trage Hessen bundesweit die rote Laterne bei gebundenen Ganztagschulen. Mit dem von der SPD initiierten Zusatzprogramm in Höhe von sechs Millionen Euro im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen könnten zwar 33 hessische Schulen durch zusätzliche Stellen einen Profilwechsel vollziehen aber wenn die Landesregierung dieses Tempo beibehält, dann ist unser Land frühestens in 370 Jahren vollständig mit Ganztagsgrundschulen versorgt. Von den anderen Schulformen reden wir da noch nicht, sagte Degen.
Kritik übte der Abgeordnete auch an den gekürzten Stellenzuweisungen des vergangenen Schuljahres für die gymnasialen Oberstufen, die Grundschulen, die Beruflichen Gymnasien und die Schulen für Erwachsene: Wenn man das so macht, wie Minister Lorz, dann werden das Unterrichtsangebot und die individuelle Förderung natürlich schlechter. Dass die Lehrerinnen und Lehrer in Hessen so nicht mehr arbeiten können, zeigt sich schon daran, dass das Ministerium innerhalb von zwölf Monaten mehr als 50 Überlastungsanzeigen bekommen hat. Aber der Minister verweigert den Dialog mit den Betroffenen und verheddert sich in statistischen Werten. Weder die Lehrerinnen und Lehrer noch die Eltern in Hessen können das länger hinnehmen, kritisierte Christoph Degen.